Mit dem Review zu Hayao Miyazakis Ponyo, dessen doofen deutschen Titel ich aufgrund mangelnder Durchdachtheit abgekürzt habe, möchte ich auch eine neue Handhabung vorstellen. Und zwar wird es nun ein bisschen anders aussehen mit den Reviews. Ich werde nicht mehr das Filmposter einfügen, sondern eine Filmszene und es wird auch keine Unterteilungen in „Story“, „Soundtrack“, etc. geben, sondern alles wird ein bisschen flüssiger gehalten. Und, ich bin mir bewusst, dass ich den ein oder anderen Leser enttäuschen werde, ich halte an der Wertungsfreiheit für die Filme fest. Das wärs dann auch schon.
An diesen Film habe ich grosse Erwartungen gehegt. In Japan wurde er zwar unterschiedlich aufgenommen, doch in den USA und dem restlichen Westen gab es vorwiegend positive Kritiken, der Film wurde gar mit Mein Nachbar Totoro verglichen, der für mich einen der besten Miyazaki-Filme stellt. Dass ich den Film im japanischen Original schaute, trug auch noch ein bisschen zu meiner Vorfreude bei, obwohl auch der deutsche Cast war nicht zu verachten. Der kleine Junge Sosuke findet am Meer ein Goldfischmädchen und nimmt sie zu sich. Er nennt sie Ponyo und die beiden schliessen sich ins Herz, doch kurz darauf wird Ponyo von ihrem Vater Fujimoto zurückgeholt. Ponyo kann sich jedoch befreien und kehrt in Menschengestalt zu Sosuke zurück. Dadurch bringt sie die Welt jedoch ins Ungleichgewicht, weshalb sie sich nun zwischen ihrem Leben als Goldfisch oder dem magielosen als Mensch mit Sosuke entscheiden muss…
Im Unterschied zu Totoro geht es bei Ponyo nicht um Alltagssorgen, sondern ganz simpel um die Rettung der Welt durch die unsterbliche Liebe. Ist mir persönlich für einen Kinder-Ghibli, der nicht auf der gleichen Spur wie Mononoke oder Erdsee fährt, etwas viel. Auch dass ein fünf-jähriger vor eine Liebesprobe gestellt wird, finde ich etwas weit hergeholt. Immerhin geht es dann am Ende nicht darum, dass sich die beiden so richtig lieben, sondern nur, ob sie sich mögen. Gut gerettet. Punkto Plot macht aber Miyazaki wieder ansatzweise den Fehler, die für mich seine letzten beiden Filme, Chihiro und Das wandelnde Schloss, zu einem mittelmässigen Erlebnis gemacht haben. Er wirft seinen Zuschauer in eine Welt, die anders funktioniert als unsere, und erwartet, dass der Zuschauer sie versteht. In diesem Film ist es nicht so schlimm wie in den anderen, da die Welt am ehesten noch unserer entspricht. Erst gegen Ende, als die Bösen plötzlich die Guten sind, und die Guten falsch liegen, verwirrt die Story zunehmends. Ist aber nicht weiter schlimm, da sich das Ganze zum Schluss wieder auflöst und man dann den Grossteil doch verstanden hat.
Vieles erklärt Miyazaki aber auch über die beiden Kinder, die einander ihre Welten durch Zeigen und Erzählen näherbringen. Es ist lustig anzusehen, wie die kleine Ponyo ihre Anfangsschwierigkeiten mit der Menschenwelt hat und auch, wie sie sie meistert. Weder Ponyo noch Sosuke noch andere Kinder werden unnötig verniedlicht oder übertrieben reif dargestellt, sondern wirklich so (tolpatschig), wie man sich selbst noch in Erinnerung hat. Miyazaki hat für die Verhaltensweisen kleiner Kinder einiges an Anschauungsunterricht betrieben und sogar eigens eine Tagesstätte für die Kinder der Mitarbeiter eingerichtet. Man kann es als übertrieben oder unnötig anschauen, ich sehe es einfach als Beweis, dass der Mann keine Mühen scheut, das Beste aus seinen Werken herauszuholen.
Dasselbe mit den Animationen und den Zeichnungen, die nicht mit Computer, sondern von Hand gezeichnet wurden, und dadurch plastischer und lebendiger wirken. Auch die Animationen sind viel glaubwürdiger und sind nicht so holprig wie in einigen von Miyazakis vorherigen Werken. Mir gefiel es, und ich bin echt froh, noch Regisseure zu sehen, die lieber mehr Aufwand haben, dafür auch bessere Qualität, auch wenn mein Kollege Maloney8032 das wohl anders sieht. Aber nicht nur punkto Animationen schlägt Ponyo einen neuen Weg ein, sondern auch musikalisch. Zwar ist auch diesmal Joe Hisaishi für die musikalische Untermalung des Films zuständig, diesmal wählt er aber nicht filmtypische Klänge, sondern entscheidet sich für Klänge, die eher der Romantik zuzuschreiben sind. Nicht nur zur Thematik Meer mit seinem hektischen Wellengang, sondern auch zu Richard Wagners Walkürenritt, den Hisaishi stellenweise (ganz fein) eingebaut hat, passen die von Bläsern dominierten Musiktitel.
Der Walkürenritt, bzw. dessen Protagonistin Brünnhilde beeinflusste ausserdem die Gestaltung von Ponyo, war aber auch für die Namensgebung des Goldfischmädchens zuständig, das, bevor es auf Sosuke trifft, so hiess. Auch die Geschichte der verstossenen Brünnhilde, die ihr Glück in Menschengestalt suchen muss passt teilweise zu jener von Ponyo. Die Figur ihres Vaters Fujimoto erinnert dagegen vielmehr an einen gealterten (Punker-)Hauro aus Das wandelnde Schloss. Habe ich mich anfänglich noch an seinem Aussehen gestört, so gefiel mir diese unglückliche und verlorene Figur (grandios die Szene mit dem Wasserspritzer zu Beginn) immer mehr. Womit ich hingegen bis zum Schluss Mühe hatte, war das Aussehen von Ponyos Mutter, der Granmammare, die irgendwie nicht in die ziemlich geerdeten Figurendesigns passen mochte. Da konnte ich es noch so drehen und wenden, mir gefiel diese Figur nicht. Sosuke dagegen fand sein Vorbild in Miyazakis Sohn Goro als Kleinkind, der mittlerweile ebenfalls als Regisseur tätig ist.
Es ist auffallend, dass Miyazaki seit seinem grossen Erfolg mit Mononoke und Chihiro seine Filme immer ein bisschen westlicher gestaltet. Man kann nun sagen, dass es kleinlich ist, aber es fällt schon auf, dass Miyazaki seither alles japanisch anschreibt – von den Strassenbahnen in Das wandelnde Schloss bis hin zu den Milchpackungen in Ponyo. Ich finde das ein bisschen schade, zählt für mich doch zu seinen Filmen auch das exotische Feeling, das sie durch ihre Japanität (Wortkreations-Copyright by Graval) ausstrahlen. Sieht man darüber und auch über andere kleinere Mängel hinweg und streicht die deutlich positiven Punkte heraus, so zeigt sich doch, dass Ponyo ein typischer und dadurch gelungener Miyazaki-Film ist. Er lebt von seinen Bildern und den Farben, von den Figuren, vom Humor, von der Musik und von einer Story, die Miyazaki aus guten Vorlagen zusammengeschmiedet hat. An einen Totoro reicht Ponyo trotzdem nicht heran, aber das ist auch nicht nötig, denn er braucht sich dennoch nicht hinter den grossen Vorgängern zu verstecken.