„Nobody takes my ship!“ – „They’ve already taken it.“ – „Well, nobody takes my ship twice!“
Mein Bruder und ich waren schon als kleine Jungs verbissene Comic-Leser, wobei wir damals vorallem die BDs, also die frankophonen Comics lasen – allen voran die Aushängeschilde, Asterix und Tintin. Während dem gewitzten Gallier schon unzählige Verfilmungen gewidmet wurden, und auch bereits zwei weitere anstehen, blieb der belgische Reporter Tintin bislang auf der Strecke – ein, zwei Filme wurden produziert, blieben jedoch ohne Erfolg. Umso mehr freute es mich, zu erfahren, dass ein Teil meiner Kindheit von zweien der besten Regisseure unserer Zeit angepackt wurde – den Herren Spielberg und Jackson. Kein Wunder also, dass The Adventures of Tintin: Secret of the Unicorn, der erste Teil einer geplanten Trilogie, schon lange auf der Liste der Highlights des Jahres stand.
Der Journalist Tim kauft auf einem Flohmarkt ein Modell eines alten Dreimasters, ohne zu wissen, dass die „Einhorn“, wie der Dreimaster getauft ist, ein Geheimnis verbirgt. Der Legende nach soll das Schiff, nach dem das Modell gefertigt wurde, vor Jahrhunderten mit einer geheimen Ladung irgendwo vor Barbados gesunken sein. Doch Tim ist längst nicht der einzige, der diesem Schatz auf der Spur ist, ein finsterer Geschäftsmann ist ihm längst auf den Fersen. Ungeahnte Hilfe bekommt Tim von einem betrunkenen Schiffskapitän…
Für die Story nahm Spielberg drei Comics von Hergé zur Vorlage – den titelgebenden Comic „Das Geheimnis der ‚Einhorn‘„, von dem der Grossteil der Story um das Schiffsmodell übernommen wurde, „Die Krabbe mit den Goldenen Scheren“, der sich um Haddocks Probleme mit der Crew der ‚Karaboudjan‘ dreht (Anspielungen auf deren zwielichtige Fracht in der Vorlage gibt es auch gegen Schluss des Films) sowie den Band „Der Schatz Rackhams des Roten“ um – naja – den Schatz Rackhams des Roten. Kenner werden also immer wieder bekannte Elemente entdecken, dürfen sich aber auch über neue lustige Ideen freuen. Denn Spielberg wird der Vorlage mehr als gerecht, inhaltlich wie optisch. Wer Motion Capture als Filmgift abgetan hatte, wird eines besseren belehrt – die Figuren wirken nicht nur echt, sondern entsprechen bis in die Details den Vorbildern und werden dazu auch noch von den richtigen Darstellern verkörpert.
Einmal mehr ist der Publikumsliebling Andy Serkis, der schon Gollum und King Kong Leben einhauchte, und nun den saufenden Kapitän Haddock mit schottischem Akzent auf die Leinwand bringt. Aber auch das Deppen-Duo Simon Pegg und Nick Frost ist die perfekte Wahl für das Deppen-Duo Thomson und Thompson, und selbst an Jamie Bell, der die undankbare Hauptrolle des korrekterweise langweiligen und braven Tim erhielt, ist nichts auszusetzen. Dazu kommen grossartige Actionsequenzen, die wie schon in der Vorlage, Schlag auf Schlag aufeinanderfolgen. An eine Atempause ist für Reporter Tim nicht zu denken. Auch der teilweise derbe Humor der Comics wird zu Recht beibehalten und so gibt es – vorallem wenn Haddock auf den Plan tritt – den einen oder anderen Lacher, der vorallem für das ältere Publikum gedacht ist.
Man muss aber auch eingestehen, dass „The Adventures of Tintin: Secret of the Unicorn“ als Verfilmung der Comics zwar perfekt funktioniert, dafür erwartungsgemäss nicht der stärkste Spielberg ist – dazu ist er viel zu sehr eine Selbstkopie. Vielleicht wollte dieser mit dem ganzen „Indiana Jones“-Flair für seinen Kristallschädel-Fehltritt entschädigen, und das zumindest gelingt ihm mit Bravour. So ist der Film für Liebhaber der Vorlage ein Erlebnis und Must-See, aber auch für Leute, die sich diesen Film in erster Linie wegen dem Regisseur ansehen, den Besuch wert. Bleibt zu hoffen, dass der Film auch wirklich genug einspielt, dass sich Peter Jackson an den zweiten Teil machen kann, der bereits in den Startlöchern steht.