Ich glaube, ausserhalb meiner ellenlangen Aufzählung auf der About-Seite habe ich gar noch nicht gross erwähnt, wie sehr ich Chew liebe. Das sollte sich jetzt mal ändern, denn seit einigen Jahren lese ich begeistert die Serie von John Layman und Rob Guillory, die bereits einige Awards einheimsen konnte – darunter den Eisner Award (2010, Best New Series) sowie zwei Harvey Awards (2010, Best New Series & Best New Talent). Zu Recht finde ich. Denn seit Scott Pilgrim habe ich nichts mehr so Kreatives und Lustiges gelesen. Und wer mich kennt, weiss, was das heisst, und wo das letztlich hinführen dürfte.
Chew erzählt vom Cop Tony Chu, der eine spezielle Fähigkeit hat: Wenn er etwas isst, erfährt er alles über sein Essen. Wie es hergestellt wurde, oder was es erlebt hat. Und da das ausser mit Rüben, mit allem geht, was Chu zwischen seine Zähne bringt, bleibt es längst nicht bei konventionellen Nahrungsmitteln. Für die Food and Drug Administration muss er Mordfälle aufdecken und nebenbei dafür sorgen, dass das Verbot von Geflügel, das man nach der Vogelgrippe aufgestellt hat, eingehalten wird. Dabei hat er auch schon so genug um die Ohren, muss er sich doch mit Familienproblemen, seiner Liebe und abgedrehten Partnern rumschlagen.
In Volume One, Taster’s Choice, lernen wir Tony Chu kennen, und er wiederum lernt Mason Savoy, Mike Applebee und Amelia Mintz kennen. Nebenbei kriegt er seinen ersten Fall, der zusätzlich weitere potentielle Storylines birgt. Die teilweise in den späteren Bänden aufgegriffen werden. Volume Two, International Flavours, bringt Tony nach Yamapulu, eine tropische Insel, auf der er mysteriöse Früchte, kämpfende Biester und fiese Gouverneure entdeckt, und Amelia und seinen Bruder retten muss. Der übrigens ein ziemliches Arschloch ist. Dafür tritt hier eine der coolsten Figuren der Reihe zum ersten Mal auf. Und eine andere, ebenfalls coole Figur zum letzten Mal. Für Volume Three, Just Desserts, zaubert Layman einige geile Ideen (wie z.B. den Diner’s Club) und Jawdropper aus dem Ärmel, und bringt endlich wieder Mason Savoy. Sowie Fricken und Chogs. Volume Four, Flambé, erzählt von der mysteriösen Schrift am Himmel sowie massenmörderischen Teens und Eiersekten, die irgendwie damit zu tun haben. Die bisher letzte und imho auch schwächste Ausgabe, Volume Five mit dem Titel Major League bringt Tony Chu in eine verzwickte Lage – erst wird er gefeuert und muss als Verkehrpolizist mit Segway und Kilt für Recht und Ordnung sorgen, und dann wird er auch noch entführt. Parallel bekommen wir einen Blick auf Olives Tätigkeiten, den Nega-Applebee und andere „spezielle“ Individuen.
Geschrieben wird die Reihe von John Layman, gezeichnet wird sie von Rob Guillory, und beide sind mehr oder weniger Neulinge im Business. Merkt man ihnen aber nicht an. Die Story ist packend, und wartet mit coolen Wendungen und Cliffhangern auf. Dazu kommt eine etwas gewöhnungsbedürftige Erzählstruktur mit Zeitsprüngen und Perspektivenwechseln, die aber konsequent durchgezogen wird, und die immer logisch aufgelöst wird. Ein bisschen ist das wie LOST, es gibt Mysterien und WTF-Momente. Und nicht ohne Gründe. Dazu später aber mehr. Und natürlich ist Chew mit seinen vielseitigen Figuren nicht nur cool, sondern auch verdammt witzig, auf eine subtile und liebevolle Art. Manchmal. Stellenweise ist es auch einfach nur grässlich abgefuckt. Aber Chew bleibt dabei immer hochstehend und verliert sich und sein Grundkonzept nie aus den Augen. Diesbezüglich erinnert es mich wiederum stark an The Walking Dead.
Cool sind auch die vielen Popkulturreferenzen und Details (die Notizzettel!!!), die man aber ganz subtil und nur hintergründlich einstreut, sodass sie die Story nie unnötig beeinflussen oder den eigenen Stil der Reihe verfälschen. Guillory beispielsweise ist ein grosser LOST-Fan, was dazu führt, dass die Zeit gerne 8:15 A.M. ist, eine Leiche Mr. Eko heisst, Tonys Familie an der Widmore Rd. wohnt oder einige Mitarbeitende beim FDA die Namen Locke, Paik, Holloway und Fox tragen. Und das Rauchmonster auftaucht. Sprich, Guillory macht genau das, was ich machen würde, wenn ich so einen Comic zeichnen würde. Abgesehen davon, dass sein – ebenfalls gewöhnungsbedürftiges – Artwork meines übertrifft. Um Längen. Gerade Figuren wie Mason Savoy sind zu 50% so richtig cool, weil sie von Guillorys wildem Strich leben. Das Lettering ist dagegen etwas misslungen, man verwendet nicht allzuviel Zeit, die Texte und Beschilderungen gut an die Bilder anzupassen, aber das sei den Machern vergeben. Denn ansonsten ist alles top-notch.
Und das Beste: Chew wird verfilmt. Als TV-Serie. Die hoffentlich dem Look und dem Ton der Serie gerecht wird. Sonst bringe ich Leute um. John Layman plant zudem, die Serie auf 60 Ausgaben zu beschränken. Mit einem Rhythmus von 5 Ausgaben pro Volume gibt das demnach 12 Volumes. Wenn dieser Umfang reicht, um eine gute Story zu erzählen, ist das für mich okay.