„Our lives are not our own. We are bound to others, past and present, and by each crime and every kindness, we birth our future.“
Das letzte Mal, dass ich bei einem Trailer nicht wirklich verstand, worum es im Film eigentlich ging, aber dennoch gebannt war, war vor rund zwei Jahren, als Christopher Nolan sich mit Inception am Konzept der Traumwelten versuchte. Mit verschiedenen Ebenen, wenn auch zeitlicher statt pseudoräumlicher Art, arbeitet Cloud Atlas – aber dennoch, verstanden, worum es in dem Film genau geht, das hatte ich nach Sichtung der Trailer nicht wirklich. Dass der Film Potential hat, das war mir dagegen recht schnell klar.
Mitte des 19. Jahrhunderts zweifelt ein Anwalt auf der Rückreise von einer Sklavenkolonie an der Richtigkeit der Sache, für die er einsteht. Sein Tagebuch liest 1936 ein angehender Komponist, der an einer eigenen Symphonie, dem „Cloud Atlas Sextet“ schreibt, das wiederum grossen Einfluss auf die Reporterin Luisa Rey hat, die 1973 einer Umweltverschwörung auf der Spur ist. Die Geschichte dieser Reporterin notiert ein Nachbarsjunge und lässt sie 2012 von Timothy Cavendish verlegen, der auf der Flucht vor einem rüpelhaften Autoren im Altersheim landet, aus dem er um jeden Preis fliehen will. In ferner Zukunft inspiriert die Adaption von Cavendishs Geschichte in der neuen Stadt „Neo Seoul“ eine geklonte Kellnerin dazu, dem System zu trotzen, ein Widerstand, der wiederum Folgen hat für Zachry und Meronym, zwei Bewohner der Welt im Jahre 2346.
Zumindest in einem Punkt ähnelt Cloud Atlas dem eingangs erwähnten Inception: Eine Sichtung reicht längst nicht, um den Film völlig zu erfassen. Dazu sind es zuviele Ebenen, zuviele Figuren und zuviele Geschichten, die erzählt werden. Das ist nicht schlecht per se, lässt aber den Zuschauer beim Versuch, all diesen Elementen zu folgen, zeitweise etwas ins Schwitzen geraten. Tom Tykwer und die Wachowskis erzählen den Film immerhin mit einer deutlichen Ordnung, und beugen durch die klare Aufteilung der verschiedenen Genres (1846 – Abenteuer, 1936 – Drama, 1973 – Krimi, 2012 – Comedy, 2144 – SciFi, 2346 – postapokalyptisch) zusätzlichem Chaos vor. Leider hängt Cloud Atlas trotz allem im Mittelteil als Folge der ganzen Exposition ein bisschen durch – vermutlich hat man sich mit den 3 Stunden Laufzeit doch etwas übernommen, auch wenn der Film gegen den Schluss hin noch einmal die Kurve kriegt.
Diesen dramaturgischen Schnitzer macht der umwerfende Cast wett, speziell Tom Hanks blüht in den verschiedenen Charakteren regelrecht auf und auch die anderen Hauptdarsteller, namentlich Halle Berry, Ben Whishaw, Jim Broadbent (Protagonist meiner Lieblingsepoche), Jim Sturgess und die noch nicht wirklich bekannte Doona Bae überzeugen in ihren Rollen. Hugo Weaving und Hugh Grant, die den Cast als zwei Antagonisten unterschiedlicher Bosheit komplettieren, machen ebenfalls einen guten Job. Dazu kommt ein oscarwürdiger Score, den Tykwer zusammen mit Johnny Klimek und Reinhold Heil komponiert hat, und dessen „Cloud Atlas Sextet“ im Film immer wieder heraussticht. Auch die Effekte und allgemein die Optik stimmen, das Regietrio zieht hierfür alle Register und bietet gerade bei den Zukunftsepochen viel Spektakel.
Die Kombination von Tom Tykwer und den Wachowski-Geschwistern funktioniert, das steht fest. Cloud Atlas ist ein gleichermassen opulenter wie nüchterner und vorallem einzigartiger Film, der in vielen Genres zuhause ist und mit schönen Bildern und umwerfender Musik sechs packende Stories erzählt, die alle durch das Konzept des Karma verbunden sind. Kein Meisterwerk, aber ein Film, der begeistert und den man so schnell nicht von der Oscarrechnung nehmen sollte.