„Home is now behind you. The world is ahead.“
Als ich gestern an der Vorpremiere von The Hobbit: An Unexpected Journey war, geschah etwas, was im Publikum für spontanen Applaus sorgte. Ein paar Zuschauer kamen zu spät und wurden noch eingelassen, was den anderen Zuschauern natürlich nicht verborgen blieb. Gleichzeitig machte sich auf der Leinwand Bilbo auf die Suche nach den Zwergen, drehte sich zur linken Leinwandseite, wo auch die Türe ist, durch die die beiden Zuschauer eingelassen wurde, und rief laut: „Hello?“. Ich habe, glaube ich, selten dermassen über etwas, was im Saal passiert ist, gelacht. Und jetzt zu meiner Review, die je nach Wissensstand vermutlich den ein oder anderen Spoiler enthält:
Bilbo Baggins geniesst das beschauliche Leben in Hobbiton, als eines Tages plötzlich der Zauberer Gandalf vor seiner Türe steht und ihn auf ein Abenteuer einlädt. Ein Abenteuer? So etwas abscheuliches kommt für den konservativen Bilbo, der seinen Alltag so einfach wie möglich halten möchte, nicht in Frage. Und doch: Eh er sich versieht, stürzt er Hals über Kopf in ein Abenteuer, das ihn zusammen mit Gandalf und einer Horde Zwerge über die Misty Mountains bis zum Berg Erebor führen soll, in dem ein Zwergenschatz liegt, der vom Drachen Smaug bewacht wird.
Wenn The Hobbit: An Unexpected Journey eine Schwäche hat, dann ist das die Story. Das kommt ja auch nicht überraschend, zumal ein ohnehin schon recht lockeres Buch auf drei dreistündige Filme ausgewälzt wurde. Diese Entscheidung scheint offensichtlich ein Fehler gewesen zu sein, denn gerade zu Beginn schwächelt der Film dadurch extrem. Und auch die zahlreichen hineingewürgten Charaktere, wie Azog, Radagast oder jene aus der ersten Trilogie braucht der Film eigentlich nicht, im Gegenteil, sie sorgen nur dafür, dass die Erzählung der Geschichte mühsam vorangeht und man zeitweise etwas den Überblick über das Geschehen verliert. Hier wäre wirklich weniger mehr gewesen, und Jackson hätte sich durchaus stärker an die Vorlage halten dürfen. So wirklich von der Nötigkeit von drei Teilen konnte er mich nämlich mit diesem Film nicht überzeugen.
Mit zunehmender Laufzeit wird der Film aber immer vorlagengetreuer und entsprechend besser – was sich auch auf den Humor bezieht, der zu Beginn noch nicht so richtig zünden will, mit der Zeit aber für grossartige Schenkelklopfer sorgt. Und spätestens mit dem Auftauchen des shizophrenen Gollum ist The Hobbit: An Unexpected Journey wieder auf dem richtigen Weg (auch wenn man dies zu diesem Zeitpunkt vom Protagonisten nicht behaupten kann). Serkis spielt diesen Charakter, als hätte er in den letzten Jahren nichts anderes getan – er ist Gollum. Aber die Show gehört eigentlich einem anderen: Martin Freeman gefällt als konservativer und gleichzeitig neugieriger und vorallem gewitzter Hobbit Bilbo, und ich freue mich schon jetzt, mehr von dieser Figur zu sehen. Überhaupt gibt es am Cast nun wirklich nichts auszusetzen, die Darsteller passen alle bestens in ihre entsprechenden Rollen (der allerallerallerbeste ist natürlich die zweite Flight of the Conchords-Hälfte Bret McKenzie als Lindir). Und was Peter Jackson mit dem Endgegner Smaug anstellt ist einfach nur cool – das ist ganz grosses Kino.
Auch technisch ist der Film top-notch: Wie schon bei The Lord of the Rings sitzt hinter der Kamera Oscarpreisträger Andrew Lesnie, und das spürt man. Es sind dieselben Shots und Helikopterkamerafahrten über dieselben Landschaften, sodass es dem Zuschauer nicht schwerfällt, zu glauben, dass das nicht Neuseeland, sondern Mittelerde ist. Aber auch die Action und die Effekte sind grossartig, die Steinriesen-Szene in den Misty Mountains ist wundervoll, ebenso die beiden gezeigten Schlachten, die packend inszeniert sind, und von einem sehr coolen Score aus der Feder von Howard Shore untermalt werden. Für diesen Soundtrack hat sich der kanadische Komponist noch einmal so richtig ins Zeug gelegt, und bietet einen wuchtigen und packenden Soundtrack, der vom Thema der Misty Mountains dominiert wird. Wer sich übrigens Sorgen wegen der 48 FPS-Version oder des 3D machte, den kann ich beruhigen: Die doppelte Frame-Zahl fällt nie störend auf, und das 3D wird optimal eingesetzt, stört aber ebenfalls zu keinem Zeitpunkt.
„Don’t leave the path!“, mahnt Beorn die Gemeinschaft in der Buchvorlage. Und auch Peter Jackson hätte sich diesen Rat gerne zu Herzen nehmen dürfte. Seine Story ist voll von unnötigen Wirrungen und Wendungen, die daher rühren, dass er die Tolkiens Geschichte unnötig gestreckt hat. Abgesehen davon ist aber alles so grossartig, dass dies wirklich die einzige Schwäche von The Hobbit: An Unexpected Journey bleibt, einem Film, der auch mit einem solchen Makel trotzdem um Längen besser ist, als so mancher Fantasy-Film der letzten Jahre.