„Time to meet the devil.“
Wer mich kennt, weiss, dass es gewöhnlich nicht lange dauert, bis ich einen Kinofilm gesehen habe. Sofern er mich denn interessiert. Das war der Fall bei Nicolas Winding Refns Only God Forgives – und doch hatte ich ihn bis heute verpasst, also fast während drei Monaten. Der Film kam nämlich kurz vor meiner Deutschlandreise in die Kinos und als ich zurückkam, hatte ihn bereits jeder aus meinem Umfeld gesehen. Als ich vor einigen Wochen herausfand, dass er in einigen Kinos immer noch gespielt wurde, wusste ich, dass ich ihn um jeden Preis noch im Kino sehen musste.
Zusammen mit seinem Bruder beitreibt Julian einen Boxclub in Bangkok, durch den er auch Drogengeschäfte betreibt. Als sein Bruder für einen Mord von einem thailändischen Polizisten zu Rechenschaft gezogen und brutal getötet wird, drängt Julians manipulative Mutter ihren Sohn dazu, sich am Mörder seines Bruders zu rächen. Julian ist hin- und hergerissen zwischen der Treue seiner Mutter gegenüber und dem, was er für richtig erachtet und begibt sich dadurch auf sehr dünnes Eis…
Mit Only God Forgives findet Winding Refn wieder ein bisschen zum Kunstfilm zurück und stösst dadurch alle die, die mit Drive gerade noch etwas anfangen konnten, ein bisschen vor den Kopf. Ich für meinen Teil stehe dem sehr positiv gegenüber – diese Vermischung von Traumwelten, Ängsten und Wünschen, die uns der dänische Regisseur hier präsentiert, mag leicht irritieren, birgt aber auch sehr viele spannende Ansätze. Und dennoch: So ganz überzeugen kann mich dieser Film vom erzählerischen Standpunkt her nicht. Die Story kommt nur schleppend vorwärts und auf dem Weg erfahren wir einfach viel zu wenig. Auch Ryan Gosling kann mich nur bedingt überzeugen, irgendwie wirkt der Gute echt gelangweilt.
Optisch ist der Film dafür wie schon Drive ohne Fehl und Tadel. Larry Smith, der zum dritten Mal mit Winding Refn zusammenarbeitet, bedient sich einer sehr kontrastreichen und neonfarbenen Palette und sorgt so dafür, dass fast jeder Shot ein kleines Meisterwerk ist. In diesem fast schon surrealen Licht und mit Cliff Martinez‘ pumpendem Score als Untermalung bekommen auch die Gewaltszenen mehr Gewicht – als wären sie nicht schon so eindrücklich genug. Denn wie eigentlich jeder Film des dänischen Regisseurs ist auch Only God Forgives nichts für sanfte Gemüter. Dafür sorgt der charismatische Antagonist, ein selbsternannter Racheengel, wunderbar, aber auch unberechenbar gespielt von Vithaya Pansringaram.
Wenn man Drive mochte, heisst das nicht, dass man automatisch auch Only God Forgives toll findet. Nicolas Winding Refns zweite Zusammenarbeit mit Ryan Gosling (ausbaubar zu einer Rachetrilogie?) ist deutlich experimentieller, reduzierter und vorallem kompromissloser geraten als sein letztes Werk. Doch wer mit den richtigen Erwartungen an den Film herangeht, bekommt einen interessanten und schön gefilmten Rachethriller. Ein Meisterwerk ist der Film deswegen aber noch nicht.