„Each person you speak to has had a day, some other days have been good, some bad.“
Es ist irgendwie schon faszinierend, dass dieses Jahr gleich drei von den fünf für den Oscar nominierten Animationsfilmen eigentlich gar nicht in erster Linie an Kinder gerichtet sind. Inside Out erreicht die jungen Zuschauer zwar noch mit Slapstick und einer berührenden Erzählung, richtig toll wird dieser Film aber erst, wenn man die Pubertät hinter sich gelassen hat und sich mit den Figuren identifizieren kann. O Menino e o Mundo ist mit seiner subversiven Gesellschaftskritik und der erratischen Erzählstruktur für Kinder wohl zu anspruchsvoll und Anomalisa, nun… wer diesen Film mit seinen Kindern schaut, ist sehr mutig. Charlie Kaufmans Stop-Motion-Film erzählt die Geschichte von Michael Stone, einem gefeierten Autoren, der auf der Tour für seinen Ratgeber How May I Help You Help Them? auf die schrullige Lisa trifft – in seinen Augen die Frau seines Lebens. Anomalisa ist nicht nur ein wunderschön geschriebener Film über die wahre Liebe und Zugehörigkeit, er ist auch aus handwerklicher Sicht ein enorm faszinierendes und gelungenes Experiment.
Inszeniert von Dino Stamatopoulos, den man vielleicht als Starburns aus Community kennt, und seiner Produktionsfirma Starburns Industries (get it?) ist dies einer der sonderbarsten Animationsfilme der letzten Jahre. Es dauert nicht lange, bis man vergisst, dass es sich bei Anomalisa um einen Stop-Motion-Film handelt, die Figuren sind glaubhaft und die Animation ist makellos. Das Einzige, was irritierend, wenn auch nie störend auffällt, sind die Gesichter der Charaktere, die die einzelnen, abnehmbaren Gesichtspartien erahnen lassen. Doch Kaufman lässt sich davon nicht stören und schafft mit Anomalisa einen einzigartigen Film, der so philosophisch daherkommt, wie schon lange kein Animationsfilm mehr. Es ist ein kurioses Kammerspiel, in dem alle Menschen gleich aussehen und gleich klingen – ausser Michael und Lisa, eben. Doch gehören die beiden deswegen auch zwingend zueinander?
In Kürze:
Anomalisa ist ein erwachsener Film (mit Sex-Szenen und so), der beweist, dass Animationsfilme für Erwachsene nicht zwingend Hentai sein müssen (trotz Sex-Szenen und so). Spass beiseite: Charlie Kaufman schafft mit Anomalisa ein schräges Kammerspiel, das eindrücklich beweist, dass Animation Medium und nicht Genre ist.
Wertung:
5 von 5 spermaschleudernden japanischen Puppen