Mein Grosspapi war Grafiker und Illustrator und ist für mich bis heute eine der wichtigsten Inspirationen in meinem Schaffen. Bis zu seinem Tod pflegte er die Tradition einer selbstgestalteten Weihnachtskarte, die in seinem breiten Baseldytsch immer irgendein Geschehen des zu Ende gehenden Jahres aufgriff. Im letzten Jahr vor seinem Tod kam er zu mir und bat mich, mit ihm zusammen die Karte zu gestalten. Ich wusste da nicht wirklich, warum ausgerechnet ich ihm in seine Zeichnung pfuschen sollte, doch um seine Sehkraft stand es so schlecht, dass er die Karte nicht alleine fertigstellen konnte. Also setzte ich seine Idee um. Nach seinem Tod beschlossen wir in der Familie, dass ich die Tradition weiterführen sollte, was mir zu Beginn enorme Schwierigkeiten bereitete, schliesslich wollte ich ihm gerecht werden, aber auch mich selber sein können.
Dieses Jahr stand meine dritte eigene Weihnachtskarte an, die ich bereits im Sommer ausarbeitete, da ich schon dann ahnte, dass 2016 von einem Thema geprägt werden würde, um das ich wohl kaum herumkommen würde: Dem orangen Wüterich. Ich hatte die Idee eines Weihnachtsmannes, der mit seinem Esel eigentlich gerne in den USA Geschenke verteilen möchte, aber jetzt leider vor einer Mauer ansteht. Simpel, on point und zeitgemäss. Was konnte da schon schiefgehen? Entsprechend stolz wartete ich also Mitte Dezember auf die Reaktionen auf meine Karte, die meine Familie und ich immerhin dutzendfach verschickten. Doch die Reaktionen blieben aus. Erst als wir nach den Festtagen die ein oder andere Person darauf ansprachen, erfuhren wir, dass nicht Undankbarkeit der Grund für die ausbleibenden Reaktionen waren – sondern Verwirrung.
Mir war etwas passiert, was für einen Karikaturisten der Super-GAU ist: Im Versuch, das Bild so stark herunterzubrechen wie möglich und es auf das Minimum zu reduzieren, habe ich den Bogen überspannt. Die Illustration war nicht mehr lesbar, der Witz dadurch verloren. Das entscheidende Element dürften vermutlich die drei Buchstaben an der Mauer gewesen sein. Ich mag es ja, wenn ein Logo oder Textelement nur angeschnitten gezeigt wird, und es nach einem nebensächlichen Element aussieht, das aber eigentlich ganz entscheidend ist. Dazu muss es aber noch genug erkennbar sein, um unmissverständlich zu sein. Und genau da hatte ich versagt. Die Buchstaben, die eigentlich den Anfang des Namens TRUMP bilden sollten, ergaben durch den unglücklichen Anschnitt das neue Wort TRI – wer ohnehin schon verwirrt war, wurde dadurch nur noch zusätzlich verwirrt.
Anstatt mich jetzt über die nicht ganz gelungene Karte aufzuregen, will ich die lieber herausfinden, was schief lief, um es beim nächsten Mal besser zu machen. Dabei habe ich zwei Dinge gelernt: Jedes Element des Bildes muss 100% unmissverständlich sein, so reduziert es auch sein mag. Nur noch ein Buchstaben mehr hätte vermutlich gereicht. Eine weniger perspektivische und deutlicher als solche erkennbare Mauer. Das Zweite, was ich unterschätzt habe, ist das Testen. Gerade bei Karikaturen bietet es sich an, diese an Publikum zu testen. Wenn ich unsicher bin, teste ich eine Idee, indem ich sie einer fremden Person vorlege, die nicht in den Prozess involviert war. Die Reaktion ist immer ehrlich und unverfälscht. Hier habe ich das nicht getan, sondern nur mit Leuten besprochen, die bereits die ursprüngliche Idee kannten.
Trotz allem bin ich mit meiner Karte zufrieden. Die Illustration gefällt mir und auch die ursprüngliche Idee finde ich noch immer witzig. Und so hoffe ich, dass sie – Verwirrung hin oder her – auch manchem Emfpänger Freude bereitet hat.