Tag 5: Montag, 2. Oktober 2017
Heute Abend wird Roman Polanski das Zurich Film Festival besuchen, um seinen neuen Film «D’après une histoire vraie» zu präsentieren. Die Nachricht kam erst vor wenigen Tagen und dies eher überraschend. Aber offenbar will das Festival keine Gelegenheit auslassen, um das Publikum und die Presse an das düstere Kapitel von 2009 zu erinnern. Damals wurde der Regisseur mit einem Preis für sein Lebenswerk geehrt, jedoch noch bei der Einreise in die Schweiz von der Polizei verhaftet. Der erste Skandal mit ZFF-Bezug war perfekt. Und nun ist Polanski also bereits zum zweiten Mal seit seiner Freilassung wieder am Zurich Film Festival.
Polanskis Film ist ganz in Ordnung. In «D’après une histoire vraie» (3/5) erzählt der Regisseur die Geschichte über die Autorin Delphine, die eines Tages eine mysteriöse Frau trifft, die ihr hilft, ihre Schreibblockade zu lösen. Die Freundschaft nimmt immer obsessivere Züge an, und viel zu spät wird Delphine bewusst, worauf sie sich eingelassen hat. «D’après une histoire vraie» ist solide, aber kein Film für die Ewigkeit – dafür ist er zu vorhersehbar, zu repetitiv und mit knapp zwei Stunden eindeutig zu lang geraten.
Viel habe ich heute nicht mehr vor, nur noch einen Film und danach habe ich mit Freunden abgemacht. Mein erster filmfestivalfreier Abend, das muss gefeiert werden. Es ist bereits der fünfte Tag am Festival, mein Kaffee- und Essensbudget schrumpft zunehmend und draussen ist es nass. Mit diesen Dingen kann ich mich also schon einmal nicht ablenken. Auch in Ruhe schreiben kann ich nicht, denn das Festivalzentrum ist auch am Montagmittag gut besucht. Das vermisse ich ein bisschen am diesjährigen Zurich Film Festival – eine Presse-Ecke an der man sich in Ruhe an den Laptop setzen kann oder sich vorbereiten kann. Bei drögem Wetter ist das Festivalzentrum nämlich schnell voll und selbst wenn man sich einen Platz ergattern kann, ist es entsprechend lärmig.
Ich pilgere also wieder einmal ins Riffraff wo ich gerade die Mittagsgäste kreuze und so einen frei werdenden Sitzplatz in der gemütlichen Lounge bekomme. Ich trinke, allen besseren, finanziell motivierten Vorsätzen zum Trotz, einen Kaffee und kritzle ein bisschen in meinem Skizzenbuch herum. Irgendwann ist auch schon Zeit für meinen nächsten Film: «The Hero» (3/5) mit Sam Elliott als abgehalftertem Western-Helden, der mit dem Älterwerden klarkommen muss. Das Drama von Brett Haley ist ein einfacher, ruhiger Film, der nicht zuletzt dank der starken Leistung des Hauptdarstellers gefällt.
Als ich das Kino abermals verlasse ist das Wetter noch immer unwirtlich. Ich gebe allmählich die Hoffnung auf, dass ich dieses Jahr noch einmal beim Festivalzentrum in der Sonne sitzen kann.