Tag 4: Sonntag, 30. September 2018
Ich informiere mich am Zurich Film Festival nur noch über die wenigsten Filme. Meist ist es ein Regisseur oder ein Schauspieler, wegen dem ich mir den Film ansehe. Manchmal ist es auch einfach eine Filmkultur, wie etwa das chinesische oder dänische Kino, dem ich viel abgewinnen kann und weshalb ich mich dann ins Kino setze. Und zugegebenermassen: Viel zu oft ist es einfach nur das Bild im Katalog, das mir gefällt. Im Fall von «Werk ohne Autor» (5/5) von Florian Henckel von Donnersmarck war es aber einfach die Tatsache, dass sich der Film im Rennen um den deutschen Oscar-Beitrag gegen so starke Konkurrenz durchgesetzt hat, dass ich neugierig wurde.
Als ich also um 9 Uhr und entsprechend unausgeschlafen im Kino sitze, lerne ich, warum es manchmal doch noch gut ist, sich ein bisschen zu informieren. Sven von Outnow verrät mir nämlich, dass der Film über drei Stunden dauert. Ich verarbeite diese Information gerade, als das Saallicht gedimmt wird und der Film beginnt. Was folgt, fühlt sich bei Weitem nicht nach drei Stunden an. Henckel von Donnersmarcks Film ist ein ebenso schonungsloses wie berührendes Werk, das einen vom ersten Augenblick in seinen Bann reisst. Der deutsche Regisseur erzählt in seinem mehrere Jahrzehnte umspannenden Drama von Carl, einem jungen Künstler, der sich auf der Suche nach sich selbst auch seinen Erinnerungen aus der Zeit des Nationalsozialismus stellen muss.
Tom Schilling besticht in der Hauptrolle und auch Sebastian Koch als eiskalter Nazi ist grossartig besetzt. Es ist jedoch dieser gemeinsame Sideplot, der den Film mit seinen Wendungen bisweilen ausbremst und ihn ein bisschen seine Glaubwürdigkeit kostet. «Werk ohne Autor» ist dann am besten, wenn es um Carl und seine Kunst geht. Ich, ich, ich, eben.
Als Nächstes tausche ich meinen Pressepass gegen einen Moderatorenpass. In diesem Jahr stehe ich nämlich auch noch auf der Bühne und moderiere zwei Filme an. Heute stehen gleich beide Anmoderationen inklusive Q+As mit den Filmemachern an. Ich habe mich schon damit abgefunden, dass ich vor solchen Dingen immer nervös bin, auch wenn ich eigentlich gut vorbereitet bin. Und sowieso: Ein kleines bisschen Bammel tut gut. Und zum Glück ist das Publikum angenehm, und meine Gäste (Oscar-Preisträger Alexandre Espigares bzw. Produzent Tom Carpelan) ebenfalls.
Es ist inzwischen schon Abend und ich wechsle wieder auf die Seite des Publikums. Noch zwei Filme stehen heute an, «Quien te Cantará», der im internationalen Wettbewerb läuft und die Komödie «The Old Man and the Gun» mit Robert Redford. «Quien te Cantará» (2/5) erzählt von einer spanischen Popsängerin, die ihr Gedächtnis verliert und mit der Hilfe eines Fans versucht, sich an ihre Songs zu erinnern. Die Idee klingt eigentlich charmant und es ist auch nicht alles misslungen an diesem Film – doch die schleppende und repetitive Erzählweise, sowie die eindimensionalen Figuren, die keine Identifikation zulassen, machen es schwer, den Film zu mögen.
«The Old Man and the Gun» (4/5) hingegen ist ein waschechter Crowdpleaser, und nicht nur, weil mit Robert Redford der Rentner-Publikumsmagnet schlechthin in der Hauptrolle zu sehen ist. David Lowerys Film erzählt die larger-than-life-Story von Forrest Tucker, eines älteren Gentlemans, der leidenschaftlich Banken ausraubt. Robert Redford spielt seine Rolle so charmant, dass ihm nicht nur alle Bankangestellten verfallen, sondern auch wir. Da verzeiht man dem Film auch gerne seine unnötigen Nebenfiguren und die etwas gar geradlinige Story.