Tag 9: Freitag, 5. Oktober 2018
Johnny Depp! OMG! Das Zurich Film Festival steht heute ganz im Zeichen des überbewertetsten Piraten der Welt, der am Abend über den Teppich schreiten und eine Master Class geben wird. Die Tickets dafür waren innert zehn Minuten ausverkauft, Kostenpunkt: 90 Franken. Die Dreistigkeit, die die Köpfe hinter diesem Festival bisweilen an den Tag legen, überrascht mich immer wieder. Aber dann wiederum bestimmt die Nachfrage den Preis, und offensichtlich rechtfertigt sie diesen.
Johnny ist mir egal, und der ganze Rummel ebenso. Ich habe auch keine Stars getroffen, nur Joel Basman bin ich begegnet, und der ist – bei all seinem Talent, das er dieses Jahr wiederholt unter Beweis gestellt hat – kein wirklicher Star. Ich nutze die Zeit lieber, um Filme zu schauen und Leute kennenzulernen. Ein bisschen Johnny Depp gibt es heute aber doch noch, denn als Erstes steht der neue Film des Schauspielers auf dem Programm, den er ans ZFF mitgebracht hat.
«Richard Says Goodbye» (2/5) heisst das Drama, das Johnny als Literaturprofessor zeigt, der seine Krebsdiagnose zu verarbeiten versucht. Der Film wurde mir als eine Art «The Bucket List» angepriesen, was aber aus diversen Gründen überhaupt nicht zutrifft. Einer davon ist, dass das Freeman-Nicholson-Vehikel effektiv witzig ist, dieser Film hingegen überhaupt nicht. Das halbgare und wirre Drehbuch hätte einen starken Darsteller gebraucht, der daraus noch einen vernünftigen Film hätte machen können – stattdessen gab es Johnny Depp. Der Schauspieler nuschelt sich derart lustlos durch diesen Film, dass er wohl sämtlichen Träumen eines zweiten Karrierefrühlings ein Ende setzt.
Durch einen Wechsel im Pressevorführungsprogramm steht nun im unmittelbaren Anschluss «Der Vorname» (4/5) von Sönke Wortmann an, den ich ansonsten verpasst hätte. Ich habe das französische Original dieses Kammerspiels leider nicht gesehen, aber habe gehört, dass es gut sein soll. Immerhin: Das Remake ist witzig und lässt während seiner gesamten 90 Minuten keine einzige Pointe aus. Da verzeiht man dem Film auch gerne seinen fehlenden Mut (etwa wenn Christoph Maria Herbst in der Rolle von Christoph Maria Herbst besetzt wird) und die gar zahme Auflösung. Für gute Unterhaltung sorgt «Der Vorname» aber auch so auf jeden Fall.
Ohne Pause geht es weiter in meinen zweiten Dokumentarfilm des Festivals: «Putin’s Witnesses» (4/5) von Vitaly Mansky. Der frühere Hausdokumentarist des russischen Präsidenten war zur Jahrtausendwende, also dem Beginn von Putins Herrschaft, ein steter Begleiter des mittlerweile mächtigsten Manns der Welt. Der kritische Dokumentarfilm ist auch ein Eingeständnis zur eigenen Rolle von Mansky, der wesentlich dazu beigetragen haben dürfte, den Mythos Putin in den Köpfen des russischen Volkes zu verankern.
Als Menschen erlebt man den Präsidenten in «Putin’s Witnesses» nicht – dafür stellt sich Putin zu geschickt an. Es ist stattdessen sein Vorgänger Boris Yeltsin, den Mansky ebenfalls begleitet hat, der uns hinter die Fassade blicken lässt. Innert kürzester Zeit wird Yeltsin vom Königsmacher zur Randnotiz der Geschichte degradiert – am Ende bleibt nur ein gebrochener alter Mann.
Mein nächster Film ist meine erste Vorstellung abseits des ZFF. «A Star is Born» (2/5) wurde Anfang Woche noch am Festival gezeigt und ist inzwischen bereits regulär im Kino zu sehen. Zusammen mit Alan schaue ich mir Bradley Coopers gefeiertes Regiedebüt über den parallel verlaufenden Aufstieg und Fall zweier Musiker an. Man kann dem Film einen gewissen Charme nicht absprechen und die beiden Hauptrollen sind mit Cooper und Lady Gaga gut besetzt – vorallem Letztere spielt in ihrer ersten Filmrolle überraschend stark. Doch bei der Story fällt «A Star is Born» für mich durch – allzu geradlinig und konventionell erzählt, bleibt dieser Musikfilm so fad wie seine Songs.
Nachdem ich die letzten acht Stunden durchgängig Filme geschaut habe, genehmige ich mir eine kurze Pause, treffe meine Freundin zum Znacht und setze mich anschliessend ein letztes Mal ins Kino, wo «Mission: Impossible – Fallout» (3/5) auf dem Programm steht. Nein, der Film läuft nicht am Festival, aber ich nutze die Lücke in meinem Plan, um diesen Film endlich nachzuholen. Im schlechtesten Kino der Stadt und in unnötigem 3D schaue ich also, wie Tom Cruise einmal mehr die Welt rettet. Die Story ist natürlich völliger Müll und die wenigen Plottwists, die noch nicht in den Trailern verraten wurden, sind nicht der Rede wert. Zum Glück macht das Christopher McQuarrie mit rasanten Actionsequenzen und schicken Set Pieces wett. Der sechste Teil von Tom Cruise’ Agentenreihe ist zwar bei weitem kein Volltreffer, aber immerhin gute Unterhaltung bietet.