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Geschichte einer missverstandenen Karte.

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Mein Grosspapi war Grafiker und Illustrator und ist für mich bis heute eine der wichtigsten Inspirationen in meinem Schaffen. Bis zu seinem Tod pflegte er die Tradition einer selbstgestalteten Weihnachtskarte, die in seinem breiten Baseldytsch immer irgendein Geschehen des zu Ende gehenden Jahres aufgriff. Im letzten Jahr vor seinem Tod kam er zu mir und bat mich, mit ihm zusammen die Karte zu gestalten. Ich wusste da nicht wirklich, warum ausgerechnet ich ihm in seine Zeichnung pfuschen sollte, doch um seine Sehkraft stand es so schlecht, dass er die Karte nicht alleine fertigstellen konnte. Also setzte ich seine Idee um. Nach seinem Tod beschlossen wir in der Familie, dass ich die Tradition weiterführen sollte, was mir zu Beginn enorme Schwierigkeiten bereitete, schliesslich wollte ich ihm gerecht werden, aber auch mich selber sein können.

Dieses Jahr stand meine dritte eigene Weihnachtskarte an, die ich bereits im Sommer ausarbeitete, da ich schon dann ahnte, dass 2016 von einem Thema geprägt werden würde, um das ich wohl kaum herumkommen würde: Dem orangen Wüterich. Ich hatte die Idee eines Weihnachtsmannes, der mit seinem Esel eigentlich gerne in den USA Geschenke verteilen möchte, aber jetzt leider vor einer Mauer ansteht. Simpel, on point und zeitgemäss. Was konnte da schon schiefgehen? Entsprechend stolz wartete ich also Mitte Dezember auf die Reaktionen auf meine Karte, die meine Familie und ich immerhin dutzendfach verschickten. Doch die Reaktionen blieben aus. Erst als wir nach den Festtagen die ein oder andere Person darauf ansprachen, erfuhren wir, dass nicht Undankbarkeit der Grund für die ausbleibenden Reaktionen waren – sondern Verwirrung.

Mir war etwas passiert, was für einen Karikaturisten der Super-GAU ist: Im Versuch, das Bild so stark herunterzubrechen wie möglich und es auf das Minimum zu reduzieren, habe ich den Bogen überspannt. Die Illustration war nicht mehr lesbar, der Witz dadurch verloren. Das entscheidende Element dürften vermutlich die drei Buchstaben an der Mauer gewesen sein. Ich mag es ja, wenn ein Logo oder Textelement nur angeschnitten gezeigt wird, und es nach einem nebensächlichen Element aussieht, das aber eigentlich ganz entscheidend ist. Dazu muss es aber noch genug erkennbar sein, um unmissverständlich zu sein. Und genau da hatte ich versagt. Die Buchstaben, die eigentlich den Anfang des Namens TRUMP bilden sollten, ergaben durch den unglücklichen Anschnitt das neue Wort TRI – wer ohnehin schon verwirrt war, wurde dadurch nur noch zusätzlich verwirrt.

Anstatt mich jetzt über die nicht ganz gelungene Karte aufzuregen, will ich die lieber herausfinden, was schief lief, um es beim nächsten Mal besser zu machen. Dabei habe ich zwei Dinge gelernt: Jedes Element des Bildes muss 100% unmissverständlich sein, so reduziert es auch sein mag. Nur noch ein Buchstaben mehr hätte vermutlich gereicht. Eine weniger perspektivische und deutlicher als solche erkennbare Mauer. Das Zweite, was ich unterschätzt habe, ist das Testen. Gerade bei Karikaturen bietet es sich an, diese an Publikum zu testen. Wenn ich unsicher bin, teste ich eine Idee, indem ich sie einer fremden Person vorlege, die nicht in den Prozess involviert war. Die Reaktion ist immer ehrlich und unverfälscht. Hier habe ich das nicht getan, sondern nur mit Leuten besprochen, die bereits die ursprüngliche Idee kannten.

Trotz allem bin ich mit meiner Karte zufrieden. Die Illustration gefällt mir und auch die ursprüngliche Idee finde ich noch immer witzig. Und so hoffe ich, dass sie – Verwirrung hin oder her – auch manchem Emfpänger Freude bereitet hat.

2016 in Review

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Auch wenn es hier abschlussfilmbedingt im Moment eher ruhig zu und her geht, müssen doch gewisse Traditionen gepflegt werden. Wie der Jahresrückblick, den ich nun bereits zum achten Mal durchführe.

Für die Nostalgiker unter euch: 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015

2016 zum ersten Mal getan?
Für eine Zeitung gezeichnet. Das war neu und ich bin noch immer total glücklich, dass ich diese Möglichkeit habe.

2016 nach langer Zeit wieder getan?
Für meine Verhältnisse viel gereist. Das muss ich definitiv beibehalten.

2016 leider gar nicht getan?
So richtig die Seele baumeln lassen. Es war ein turbulentes Jahr und in der einzigen ruhigen Zeit war leider privat der Teufel los.

Der hirnrissigste Plan?
Unvorbereitet in eine Stadt reisen, deren Sprache ich nicht spreche. Hat sich aber gelohnt.

Die teuerste Anschaffung?
Meine Wohnung, vermute ich. Aber ich bereue es nicht im Geringsten. #freedom

Wort des Jahres?
Foglä

Unwort des Jahres?
Annoying

Stadt des Jahres?
Paris und Wien waren schön, aber da war ich nur verdammt kurz. Dafür habe ich mich in Stockholm verliebt.

Alkoholexzesse?
Muss manchmal auch sein. When in Vienna.

Davon gekotzt?
Nein.

Haare länger oder kürzer?
Eindeutig kürzer, und das bleibt jetzt auch erstmal so.

Kurzsichtiger oder Weitsichtiger?
Ich müsste wirklich mal zum Optiker um das herauszufinden. Mensch.

Mehr Kohle oder weniger?
Generell mehr, würde ich so sagen.

Mehr ausgegeben oder weniger?
Da ich seit diesem Jahr nicht mehr zuhause wohne, habe ich eindeutig mehr ausgegeben.

Mehr bewegt oder weniger?
Vermutlich eher weniger.

Höchste Handyrechnung?
89 Franken

Krankenhausbesuche?
Einmal, glaube ich. Wenn das 2016 war.

Verliebt?
Ja. Hat leider dann doch nicht gehalten.

Getränk des Jahres?
Eindeutig Kaffee.

Essen des Jahres?
Irgendeine schräge Pizza von Omnipollos Hatt in Stockholm

Most called persons?
Meine Eltern, glaube ich. Ich telefoniere generell ungern.

Die schönste Zeit verbracht mit?
Einer guten Freundin in Stockholm. Wobei ich mit vielen Leuten gute Momente hatte.

Die meiste Zeit verbracht mit?
Mir selber, denke ich. Ich muss das im Moment gerade lernen.

Song des Jahres?
Ahnma, leider einer der wenigen, guten Tracks auf der neuen Platte der Jungs aus Eimsbüttel.

CD des Jahres?
Laut iTunes lief bei mir 2016 Momänt-Kids von Nemo am Meisten. Ist aber auch wirklich ein starkes Ding, das der junge Bieler da abgeliefert hat.

Buch des Jahres?
Zählen Comics? Dann eindeutig This One Summer von Mariko und Jillian Tamaki.

Film des Jahres?
Muss ich im Moment noch herausfinden.

Konzert des Jahres?
Interstellar Live in Concert war grossartig.

TV-Serie des Jahres?
In Ermangelung anderer Optionen: Game of Thrones.
(Ja, kein Stranger Things, kein Westworld, kein Black Mirror, kein Daredevil, kein Luke Cage)

Erkenntnis des Jahres?
Mehr auf mein Herz zu hören. Und manchmal auch weniger auf mein Herz zu hören.

Drei Dinge auf die ich gut hätte verzichten können?
1. Gefühlschaos
2. Depression
3. Depression und Gefühlschaos

Nachbar des Jahres?
Meine Mitbewohnerin, eindeutig! Und falls sie nicht zählt, dann die Nachbarin, die meint, ich heisse Villao.

Beste Idee/Entscheidung des Jahres
Da gab es die ein oder andere.

Die wichtigste Sache, von der ich jemanden überzeugen wollte?
Gewissermassen musste ich mein Umfeld von meinem Abschlussfilmprojekt überzeugen.

Das schönste Geschenk, das ich jemandem gemacht habe?
Das müsste ja wahrscheinlich eher die beschenkte Person selber sagen, oder?

Das schönste Geschenk, das mir jemand gemacht hat?
Eigentlich total doof, aber ich habe vor Weihnachten von einem Freund tolle Postkarten bekommen und das hat mich in diesem Moment brutal aufgestellt.

Der schönste dämlichste Satz, den jemand zu mir gesagt hat?
„We like your film but we all think you’re fucking annoying.“

Die grösste Enttäuschung?
Da gab es vor ein paar Wochen einen Moment.

Schönstes Ereignis?
Der ganzen Tschutti Heftli-Sache habe ich echt viel zu verdanken.

2016 war mit einem Wort?
Neu.

TGBIS 2016

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Wie jedes Jahr habe ich auch im 2016 mein Trinkgeld in ein bärenförmiges Kässeli getan, das ich Ende Monat plündern werde. Das Trinkgeldbärliinhaltschätzis (kurz: TGBIS) gibt es diesmal bereits zum vierten Mal und es wird auch das vorerst letzte Mal sein – per Ende Jahr habe ich meinen Job im Kino gekündigt, um mich ab Januar auf meinen Abschlussfilm konzentrieren zu können.

Wenn ihr den Inhalt meines Trinkgeldbärli richtig schätzt, könnt ihr also neben einer kleinen Wunschzeichnung von mir auch die Ehre gewinnen, die letzte Person gewesen zu sein, die das TGBIS für sich entschieden hat. Hurra!

Hier einige hard facts:

  • Ich arbeite jeweils Samstag und Sonntag, seit Oktober nur noch alle zwei Wochenenden (ca. 400 Arbeitsstunden)
  • Im Trinkgeldbärli hat es alles zwischen 5 Rappen und 2 Franken – Nötli hats keine.
  • Es hat auch noch ein, zwei ausländische Münzen. Ich werde die dann umrechnen.
  • Das Trinkgeldbärli hat die Masse 4 x 6.5 x 5.5 Zentimeter – das sind 143 Kubikzentimeter.
  • So sieht das Trinkgeldbärli aus.
  • Das Kässeli ist fast voll, nur mit grösster Mühe bringe ich noch etwas hinein.
  • Bisherige Inhalte:
    2013: 82.05
    2014: 66.78
    2015: 61.45
  • Ihr habt Zeit bis am 1. Januar um 12 Uhr – bis da darf aber auch noch Geld ins Kässeli hinein, sofern ich welches erhalte.
  • Ich habe selber keinen Plan, wieviel dadrin ist.

Nachtrag vom 1. Januar 2017:

Das Kässeli ist geleert, alles wurde gezählt und einmal mehr zeigt sich 2016 von seiner fiesen Seite: Heuer gab es noch einmal massiv weniger Trinkgeld für mich als noch 2015, nämlich 55 Franken und 85 Rappen. Damit konnte sich der freie Fall auf dieses Jahr hin stabilisieren.

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Ausser der Welt des Wissens hat niemand mit einem so tiefen Wert gerechnet, sie liegt mit ihrer Schätzung von 53 Franken und 72 Rappen auch am Nächsten. Und nicht nur das: Wenn ich von einer netten Kundin gestern nicht 2 Franken Trinkgeld erhalten hätte, hätte sie um nur gerade 9 Rappen daneben gelegen.

Doch auch ohne verteufelt gute Schätzung sichert sich die Frau von Welt die letzte TGBIS-Krone, und das, wo die Gute die Hoffnung eigentlich schon längst aufgegeben hatte:

Also doch irgendwie ein versöhnliches Ende für dieses Scheissjahr.

Ticketverlosung: Agnes Obel

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Wer mich kennt, weiss, dass Agnes Obel eine meiner Lieblingssängerinnen ist. Die Dänin mit der schönen Stimme und den sanften Klängen hat mich bereits bei ihren letzten beiden Live-Auftritten in Zürich verzaubert. Nun kommt sie mit ihrem dritten Album Citizen of Glass erneut in die Schweiz und natürlich werde ich mir auch dieses Konzert nicht entgehen lassen. Die ersten Eindrücke darob klingen zumindest schonmal vielversprechend:

Für das Konzert von Agnes Obel am Donnerstag, 17. November 2016 im Volkshaus habe ich 1×2 Tickets, die ihr gewinnen könnt, wenn ihr folgende Frage richtig beantwortet:

Wie heisst Agnes Obel mit vollem Namen?

Schickt mir mit die Antwort als Mail oder twittert sie mir und die Tickets sind euch. First come, first served.

Ticketverlosung: Bear’s Den

Bear's Den

Der Herbst hält unerbittlich Einzug – die Tage werden kürzer und kälter. Die Zeit für Wollmützen und Handschuhe und Tee ist definitiv angebrochen. Was passt dazu besser, als kuschliger Indie-Rock, wie ihn Bear’s Den produzieren? Das Duo aus London ist im Moment mit dem zweiten Album Red Earth & Pouring Rain auf Europatournee und macht am 28. Oktober auch in Zürich Halt. Schnappt euch euren Lieblingswollpullover und euren Lieblingsmenschen und lasst euch von den schwermütigen Indie-Klängen der Briten verzaubern.

[youtube]https://www.youtube.com/watch?v=q1MmYVcDyMs[/youtube]

Für das Konzert von Bear’s Den vom 28. Oktober 2016 im X-Tra habe ich 1×2 Tickets, die ihr euch sichern könnt, wenn ihr folgende Frage richtig beantwortet:

Zu wievielt waren Bear’s Den in ihren Anfängen?

Schickt mir mit die Antwort als Mail oder twittert sie mir und die Tickets sind euch. First come, first served.

Die Tix sind bereits weg – sorry!

Owley am ZFF 2016 – Tag 3: Familiendramen zum Vergessen

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Es gibt vermutlich genau zwei Typen Menschen, die am Sonntag früh aufstehen: Kirchengänger und Journalisten am ZFF. Ich zählte mich an diesem sonnigen Sonntag zu letzterer Gruppe. War on Everyone stand auf dem Programm und als wäre das nicht schlimm genug, schleppten mich Linda und Chris dann auch noch in die vorderste Reihe. I hate them. Immerhin wurde ich ziemlich schnell wach, was aber sicher auch der Verdienst von John Michael McDonagh ist, der mit dieser Buddy-Cop-Komödie einen grossartigen Film abliefert. Auch wenn der durchgeknallte Actionfilm mit Alexander Skarsgård und Michael Peña bisweilen stark an The Guard vom selben Regisseur erinnert, ist McDonagh der Sprung nach Hollywood doch erstaunlich gut gelungen.

Mit American Pastoral folgte im Anschluss der erste Film am diesjährigen ZFF, der in meinem Umfeld für Diskussionsstoff sorgte. Bislang waren wir alle immer plusminus einer Meinung, bei diesem Film fanden wir aber keinen Konsens. Während Nicoletta und Yannick das Regiedebüt von Ewan McGregor für schrecklich misslungen erachteten, waren Lorin und ich davon überzeugt, dass die Buchverfilmung trotz einzelner Fehler alles in allem überzeugen kann. Der Film über eine Vorzeigefamilie in den 60ern, die an der rebellischen Ader der Tochter zugrundegeht, ist kein Werk für die Ewigkeit, aber immerhin ein solides Familiendrama.

Ein weiteres solches folgte auch mit dem dritten und letzten Film meines Sonntags. Little Men von Ira Sachs erzählt die Geschichte zweier Jungs und einer Freundschaft, die durch die Differenzen der Eltern auf die Probe gestellt wird. Man kann dem Film kaum einen Vorwurf machen. Das was er macht, macht er gut. Nur ist die Geschichte, die Sachs hier erzählt letzten Endes doch irgendwie schrecklich… alltäglich. Am Ende ist man kein bisschen schlauer. Wie auch American Pastoral dürfte ich auch dieses Familiendrama schon sehr bald vergessen haben, so gut es auch ist. Schade eigentlich.

  • War on Everyone (5/5) läuft am 28. September um 18.00 (Arena 4)
  • American Pastoral (4/5) läuft am 26. September um 21.00 (Corso 1) und 21.30 (Arena 4)
  • Little Men (3/5) läuft am 27. September um 18.45 (Piccadilly)

Owley am ZFF 2016 – Tag 2 & 3: Futter für die Statistik

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Ich nehme mir immer vor, mich an Filmfestivals zumindest ein kleines bisschen aus der Comfort Zone zu wagen. Mal gelingt mir das besser, mal weniger gut. Für das diesjährige Zurich Film Festival habe ich mir zu diesem Zweck eine Dokumentation herausgepickt, denn diese Art von Filmen bereitet mir immer ein bisschen Schwierigkeiten. Mein einziger Film am Freitag war deshalb eine Dokumentation mit dem Titel The Islands & the Whales. Der Film von Mike Day thematisiert die Bedeutung des Walfangs auf den Färöer-Inseln und beleuchtet das kontroverse Thema von beiden Seiten. Mit seiner allzu objektiven und zurückhaltend nüchternen Betrachtungsweise bleibt der Regisseur dem Zuschauer einiges schuldig. Ausser schönen Bildern bleibt von diesem Film darum leider nur wenig in Erinnerung.

Während am zweiten Tag des ZFF lediglich ein Film für mich auf dem Programm stand, sollten am dritten Tag gleich fünf folgen. Das ist ein neuer persönlicher ZFF-Rekord, allgemein habe ich diese Marke aber vor einigen Wochen am Fantoche mit einem Sechs-Filme-Tag schon geschlagen. Soviel aus der Statistikabteilung.

Noch verhältnismässig frisch startete ich den Samstag mit Snowden von Oliver Stone. Der Regisseur, der irgendwie öfters ans ZFF eingeladen wird als Irina Beller, nimmt sich in seinem neuen Film dem NSA-Leak von vor einigen Jahren an. Das Ergebnis ist ein packender Thriller mit einem bestechenden Joseph Gordon-Levitt. Trotzdem dürfte es Snowden aber – ausser in der Schauspielkategorie vielleicht – schwer haben, bis zu den Oscars in Erinnerung zu bleiben. Dafür ist er dann doch zu konventionell gestrickt.

Mit La La Land stand als Nächstes bereits mein eigentliches Highlight des Festivals an. Auf Damien Chazelles farbenfrohes Musical habe ich mich schon seit Langem gefreut. Und der Film hält, was er verspricht – der Regisseur von Whiplash präsentiert eine charmante Ode an die Schauspielerei und den Jazz. La La Land bewegt sich dabei immer sehr nahe am Kitsch, ist mit seiner Erzählweise und den fantastischen Bildern aber so ungewohnt und anders, dass man sich einfach in den Film verlieben muss. Auch im dritten Durchgang ist das Leinwandpaar Emma Stone und Ryan Gosling eine Wucht. Der Film kam auch bei der Journalistenschar gut an, denn ich kann mich nicht erinnern, wann es an einer Pressevorführung zum letzten Mal Applaus gab.

Wie jedes Jahr vergibt das Zurich Film Festival auch in diesem Durchgang irgendwelche bedeutungslosen Preise für das Lebenswerk irgendeines Filmschaffenden. Die müssen dann immer so tun, als würden die sich unglaublich darüber freuen, was ich immer enorm ulkig finde. Für uns Normalsterbliche hat das immer zum Vorteil, dass dann Filme aus dem Werk der jeweiligen Person als Reprise gezeigt werden. Ich nutze das dann jeweils, um mir so Filme, die mir irgendwie mal entgangen sind, nachzuholen. Diesmal war es Olivier Assayas’ Film Sils Maria mit Kristen Stewart und Juliette Binoche über eine Theaterschauspielerin, die 20 Jahre nach ihrem Durchbruch erneut in ihre grossen Rolle schlüpfen muss. Das Drama hat zwar immer wieder enorm starke Momente, wirkt im Grossen und Ganzen aber unfertig und undurchdacht. Im Anschluss durfte ich wieder einmal einen Dislozierungsweltrekord aufstellen, indem ich innert 15 Minuten vom Arena zum Houdini pilgerte. Dort wollte ich mir The Magnificent Seven anschauen, der zwar nicht am Festival selber gezeigt wird, aber den ich trotzdem unbedingt sehen wollte. Ich hatte zwar keine grossen Erwartungen an dieses Remake, fand ich schon das Original (also den Western) eine unnötige Neuverfilmung. Doch ich wurde überrascht: Antoine Fuquas Re-Remake des Kurosawa-Klassikers macht vieles richtig, was der originale Western verbockt hat und bietet beste Popcorn-Unterhaltung.

Danach blieb mir gerade noch ein bisschen Zeit um endlich etwas zu essen und mich mit Nicoletta von Blogbusters auszutauschen, bevor mit Trespass Against Us der letzte Film des Tages anstand. Das Screening kurz vor zehn Uhr abends war überraschend gut besucht, was aber wohl auch an der Anwesenheit des Regisseurs Adam Smith lag. Diesem ist mit seinem Debüt ein faszinierender Film gelungen, über eine urbritische White Trash-Familie und die Schwierigkeit, aus solch einem sozialen Umfeld auszubrechen. Michael Fassbender und Brendan Gleeson sind beide wenig überraschend grosse Klasse. Am Schluss stellte sich Smith einigen Fragen aus dem Publikum, und ich merkte wieder einmal überdeutlich wie sehr ich solche Q&A’s, bei der sich die Leute irgendwelche Fragen aus den Fingern saugen, nur um mit dem Regisseur zu reden können, doch verabscheue.

  • Snowden (4/5) läuft am 28. September um 20.15 (Arena 4)
  • La La Land (5/5) läuft am 25. September um 18.30 (Corso 1)
  • Sils Maria (3/5) läuft nicht mehr am ZFF
  • The Magnificent Seven (4/5) läuft regulär im Kinoprogramm
  • Trespass Against Us (4/5) läuft am 25. September um 15.00 (Le Paris) und am 1. Oktober um 21.00 (Arena 7)

Owley am ZFF 2016 – Tag 1: Würste, Fürze und Pralinen

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Obwohl das Zurich Film Festival erst heute begann, hatte ich meinen ersten Tag schon letzten Donnerstag. Für die Pressevorführung zu Rune Denstad Langlos Multikulti-Satire Welcome to Norway fuhr ich nach Zürich, nur um dort festzustellen, dass niemand im Kino von einer solchen Vorführung wusste. Doch ganz vergebens war ich nicht angereist, denn der Operateur verriet mir, dass sie aber dafür Hell or High Water zeigen würden. Der schnörkellose Neo-Western mit Chris Pine, Ben Foster und Jeff Bridges in den Hauptrollen kann auf der ganzen Linie überzeugen – damit hatte ich ja ehrlich gesagt nicht gerechnet. Jeff Bridges kann in der Rolle von Tommy Lee Jones des raubeinigen Sheriffs endlich wieder einmal sein ganzes Können unter Beweis stellen. Der Gute tat einem nach all den Fantasy-Flops der letzten Jahre fast schon Leid.

Das Pressevorführungs-Theater wollte auch heute, am eigentlichen ersten Tag des Festivals nicht abbrechen. Die verschiedenen Vorstellungen überschnitten sich so unglücklich, dass es praktisch unmöglich war, mehr als zwei davon zu besuchen. Das hätte man mit wenig Aufwand vermeiden können, aber in dieser Hinsicht geben sich die Organisatoren gerne stur. Einziger Wermutstropfen war, dass der Tag mit einem Film begann, der sich angesichts meines noch nicht ganz nüchternen Zustands um 9 Uhr morgens als optimal erwies. Die Animationskomödie Sausage Party, die wohl nur der breiten Masse zuliebe ins Programm des Festivals aufgenommen wurde, stand auf dem Plan. Der Film holt das Maximum aus seiner Prämisse heraus und zündet ein überraschend starkes Gag-Feuerwerk (ich meine, wir reden immer noch von einem Seth Rogen-Film, da habe ich eigentlich keine Erwartungen). Der Verleiher überraschte die anwesenden Journalisten im Anschluss an das Screening noch mit Hot Dogs und sorgte dadurch für gute Stimmung.

Mein persönliches Highlight folgte aber erst noch, nämlich ein Screening von Swiss Army Man, dem Film, den alle anfangs als schlechten Witz abgetan hatten, und der sich immer mehr zu einem ernstzunehmenden Kandidaten für den ein oder anderen Filmpreis mausert. Zu Recht, wie ich feststellen musste. Es dauert zwar ein bisschen, bis man sich mit der schrägen Prämisse über eine Freundschaft mit einer furzenden Leiche abgefunden hat, aber wenn man sich darauf einlässt, ist Swiss Army Man wirklich einer der schönsten Filme des Jahres. Ich hatte hier wirklich wieder einen solchen Toni Erdmann-Moment. Paul Dano und Daniel Radcliffe sind in ihren Rollen natürlich grossartig und den Soundtrack-Oscar dürften Andy Hull und Robert McDowell bereits auf sicher haben.

Für das letzte Screening des Tages musste ich in zehn Minuten vom Riffraff zum Stadelhofen rennen und fahren. Habe ich zu meiner Überraschung irgendwie hinbekommen (mit Unterstützung eines ewig langen Vorspannes, muss ich zwar fairerweise sagen) und kam so dafür in Genuss des neuen Werks von Juan Antonio Bayona, den ich ja schon 2012 am Zurich Film Festival treffen durfte. A Monster Calls heisst seine Buchverfilmung über einen Jungen, der versucht durch Treffen mit einem riesigen Baummonster mit der Krebserkrankung seiner Mutter klarzukommen. Ein ungemein ehrlicher und persönlicher Film über den Umgang mit Schicksalsschlägen, der einen so schnell nicht loslässt – und Liam Neeson als Baummonster geht natürlich immer.

Im Anschluss holte ich noch meinen Presseausweis am Pressedesk ab und bekam noch eine Tasche mit Pralinen und positiven Zeitungsberichten über das Festival (yay!) in die Hand gedrückt. Die Tasche gibt es jedes Jahr, und wenn ich nicht immer wieder Leute finden würde, die sich darüber freuen (natürlich ohne die Pralinen drin), wüsste ich echt nicht, was damit anstellen. Ich bin auch überzeugt, dass es inzwischen Journalisten gibt, die zuhause ein Verlegenheitslager an solchen ZFF-Taschen haben.

  • Hell or High Water (4/5) läuft am 29. September um 21.00 Uhr (Corso 1) und am 1. Oktober um 21.30 (Corso 1)
  • Sausage Party (4/5) läuft am 24. September um 21.30 (Arena 4) und am 26. September um 20.30 (Arena 5)
  • Swiss Army Man (5/5) läuft am 27. September um 18.00 (Arena 3) und am 1. Oktober um 20.30 (Arena 4)
  • A Monster Calls (4/5) läuft am 23. September um 18.30 (Corso 1) und am 24. September um 15.15 (Corso 1) und am 1. Oktober um 16.15 (Corso 1)